Die österreichische Zementindustrie tüftelt emsig am Einsatzpotenzial neuer klimafreundlicher Zemente in der Baupraxis. Erste Praxisbeispiele mit dem CEM II/C zeigen: Er funktioniert, kostet nicht mehr und reduziert die CO2-Emissionen gewaltig – und die Bauherren sind begeistert.
Die österreichische wie auch die europäische Zementindustrie haben sich das ambitionierte Ziel gesetzt, bis 2050 die Klimaneutralität entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu erreichen. Baustoffe wie Zement spielen eine Schlüsselrolle für den Klima- und Umweltschutz.
Die Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie, VÖZ, entwickelte gemeinsam mit den Mitgliedswerken und mit der Smart Minerals GmbH die klimafitten CEM-II/C-Zemente. Im Zentrum standen dabei die industrielle Herstellung sowie die praktische Anwendbarkeit von Zementen mit deutlich geringeren Klinkergehalten. „Mit den CEM-II/C-Zementen trägt die Zementindustrie entscheidend zur Dekarbonisierung der gesamten Wertschöpfungskette des Bauens bei“, ist Sebastian Spaun, Geschäftsführer der Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie, überzeugt.
Ein wesentlicher Faktor ist die Sicherstellung der Leistungsfähigkeit der neuen Zemente sowie die Festigkeitsentwicklung der damit hergestellten Betone. Dabei geht es ebenso um die Optimierung der Mahlprozesse einzelner Zementbestandteile, die Verarbeitbarkeit des Frischbetons, das Erstarrungsverhalten wie auch die Dauerhaftigkeit der Bauwerke. Mit der neuesten Generation klimafitter CEM-II/C-Zemente rüstet sich die Zementindustrie nun für den Markt.
Reduzierter Klinkeranteil
Das Erfolgsgeheimnis hinter den CEM-II/C-Zementen ist die drastische Reduktion des Klinkeranteils. Alpacem, Baumit, Leube, Holcim und Rohrdorfer bieten bereits CEM-II/C-Zemente am Markt an. 15 Zemente verfügen über eine Bautechnische Zulassung (BTZ) des Österreichischen Instituts für Bautechnik (OIB). Für diese Zulassungen wurden in einem mehrjährigen, seitens der FFG geförderten Branchenforschungsvorhaben umfangreiche Untersuchungen und Nachweise mit Schwerpunkt auf die Dauerhaftigkeit durchgeführt.
Roland Wernik, Geschäftsführer der Salzburg Wohnbau, setzte bereits früh auf zukunftsfitte Lösungen. Da kam dem Bauträger das Konzept des CEM II/C gerade recht, um den klimafreundlichen Zement in Kombination mit Recyclingbeton anzuwenden. Die Volksschule Adnet, eine Sanierung und Erweiterung mit größtmöglichem Bestandserhalt und in Hybridbauweise, geplant von Huber-Theissl Architekten, ist neben der Volksschule Anif ein weiteres Erfolgsbeispiel. Prokurist Thomas Maierhofer von der Salzburg Wohnbau bezeichnet die Anwendung des Recyclingbetons bereits als Serienprodukt. Die Fertigstellung ist für 2025 geplant. In Adnet ist die Verwendung von CEM II/C ein wesentlicher Teil des Bauprojekts. In Kombination mit Recyclingbeton können die CO2-Emissionen beim Bau um rund 35 Tonnen reduziert und Ressourcen geschont werden. Leube-Geschäftsführer Heimo Berger freut sich über dieses richtungsweisende Schulprojekt: „Die Nachfrage nach ökologischen Baustoffen steigt – wir sind stolz, dass wir in Österreich der erste Zementhersteller sind, der die Zulassung für einen ‚grünen Zement‘ erhalten hat.“ Deisl-Beton stellt den Transportbeton in der nahe gelegenen Mischanlage Hallein her, Leube liefert dafür den „grünen Zement“. Clemens Deisl, Geschäftsführer von Deisl-Beton, berichtet über seine bisherigen Erfahrungen: „Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die innovativen Betone mit rezyklierten Gesteinskörnungen und CEM II/C alle Anforderungen und Kriterien der einschlägigen ÖNORMEN erfüllen und qualitativ gleichwertig zu den herkömmlichen Betonen sind. Durch Feinabstimmung der Betonzusammensetzung ließ sich zudem die Verarbeitbarkeit optimieren, sodass in der praktischen Anwendung der Betoneinbau wie gewohnt erfolgen konnte.“ Wilfried Steiner von Steiner Bau bestätigt ebenso die tadellose Qualität des CEM II/C bei der Ausführung; das Bauunternehmen konnte keine Unterschiede gegenüber konventionellen Zementen in der Verarbeitung feststellen.
Und wie sieht es mit den Kosten aus? „All unsere Aktivitäten im Sinne der Kreislaufwirtschaft stehen unter dem Aspekt Kostenneutralität. Damit liegen wir keinen Cent über den bisherigen, konventionellen Bauweisen, weder in Anif noch in Adnet“, so Maierhofer. Beide Schulprojekte sind zentraler Bestandteil des Forschungsprojekts CICO (Circular Concrete), unterstützt vom Land Salzburg. Das Forschungsteam besteht aus Salzburg Wohnbau, Leube, Steiner Bau, Deisl-Beton, BVFS, FH Salzburg und Uni Salzburg. Und schon ist das nächste Projekt mit Einsatz von CEM II/C im Entstehen: eine Wohnhausanlage in Golling mit 36 Wohneinheiten.
Klimafreundliche und nachhaltige Baustandards
Ein weiteres Vorzeigeprojekt wird im Herbst 2024 fertig: Mit dem klima:aktiv Gold zertifizierten Schulkomplex Reininghaus, einer AHS mit 38 Klassen sowie einer Volksschule mit 20 Klassen, entsteht in Graz der größte neu gebaute Schulkomplex seit Jahrzehnten. Die Volksschule wurde nach den Plänen von 3plus Architekten mit einem CEM II/C von Holcim gebaut. Dieses Grazer Pilotprojekt in puncto klimafreundliche und nachhaltige Baustandards wird von der Stadt Graz als Bauherrin errichtet.
Alexander Passer von der TU Graz begleitet das Projekt und berechnet die CO2-Emissions-Ersparnis durch den Einsatz des Klinker- und dadurch auch CO2-reduzierten Zements CEM II/C. Das IBO erstellte die Bauökologieberechnung. „Bereits in der Ausschreibung wurde die nachhaltige Bauweise verlangt. Die Baufirma Granit war sehr engagiert und bemüht, die Sichtbetonflächen perfekt herzustellen, es war allerdings auch für die Ausführenden eine Premiere, mit dem CEM II/C zu arbeiten“, erklärt Thomas Heil von 3plus Architekten. Insgesamt wurden 4.500 Kubikmeter Beton verbaut, davon 1.600 Kubikmeter mit CEM II/C. Geheizt wird mit Fernwärme, die Photovoltaikanlage versorgt die Schule mit Strom.
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